Fuji – Tag 2 | Teil 1

Gegen 02:00 Uhr werde ich von hektischer Betriebsamkeit geweckt, schlafe aber wieder ein, als ich keinen Aufbruch erkennen kann.

Dazu muss man wissen, abhängig vom Wetter gibt es zwei Szenarien: Aufbruch gegen 2 Uhr, Sonnenaufgang wird vom Krater aus beobachtet, vorausgesetzt das Wetter spielt mit.

Alternativ, falls es wieder schneien sollte, geht es sehr viel später los, der Sonnenaufgang wird von der Hütte aus verfolgt. Der Aufstieg erfolgt bei Tageslicht.

In der Gewissheit Plan B tritt ein, schlafe ich wieder ein.

So kann man sich täuschen, um 3 Uhr werde ich aus dem Tiefschlaf geweckt. Das muss Plan C sein. Aufbruch in einer halben Stunde. Mechanisch ziehe ich mich an, dafür muss ich nicht wach sein. Auch wenn ich keine Nachwirkungen vom gestrigen Aufstieg spüre, ich komme nicht in Schwung. Ich esse eine halbe Banane, um nicht ganz ohne Frühstück zu starten. Beim Hinknien in meiner Koje merke ich, dass meine Wadenmuskeln krampfen. Die Banane wird’s richten.

Ich ziehe nach und nach alle meine Kleidungsstücke in der dafür vorgesehenen Reihenfolge an, 6 Schichten am Oberkörper insgesamt, 3 Schichten an den Beinen. So war ich selbst im Winter noch niemals an der Ostsee. Draußen ist es damit gerade mal angenehm. Verflixt wie kalt, wie windig ist das?

Diesmal wird im Gänsemarsch gelaufen, die Gruppe muss im Schein der Stirnlampen zusammen bleiben. Wir laufen und bleiben stehen. Es ist mehr ein Klettern mit Händen und Füßen. An diesen Passagen muss man warten, bis der Vordermann sie absolviert hat und einen sicheren Stand hat und man sicher ist, es kommen keine Steine von oben gerollt. Auf diese Weise kommt kein Rhythmus auf, aber sie kosten sehr viel Kraft. Jetzt verhärten sich auch meine Oberschenkel, ich habe Puls, aber mein Kreislauf kommt nicht auf Touren,

Nach einer halben Ewigkeit, es mag auch eine Dreiviertelstunde gewesen sein, machen wir eine Pause.

Die Guides fragen jeden, ob alles OK ist. Das kann ich so nicht bestätigen. Ich weiß, dass die Krämpfe nicht besser werden, die Symptome sind mir nicht unbekannt. Zu wenig Magnesium im Trinkwasser, Schlafmangel, Überlastung der Muskeln, schlechte Vorbereitung, die Höhe was auch jetzt immer die Ursache sein mag, sie lässt sich so schnell nicht beheben. Die Frage ist nur, wie weit wird es sich verschlechtern. Die Antwort kenne ich nicht, ich weiß nur, der Abstieg stellt eine noch größere Belastung dar. Und mit jedem weiteren Schritt mehr wird auch der Abstieg länger. Und, auch klar, am Berg ist das ganze ein anderes Risiko, als beim Radfahren im Flachland. Viel Zeit zum Überlegen bleibt mir sowieso nicht, es ist einfach zu kalt, um länger zu pausieren.

Ich entscheide mich für den Abstieg. Vernünftig? Wahrscheinlich. Schmerzhaft? Ohne Ende.

Ein Risiko einzugehen, bin ich nicht bereit, kann ich auch nicht, weil ich das Risiko ja nicht alleine tragen würde. Um meine persönliche Grenze auszuloten, ist es der falsche Zeitpunkt. Mir fehlt schlichtweg die Erfahrung in solchen Situationen. Aber damit bricht quasi der Sinn und Zweck dieser Reise weg, die ganze Vorbereitung vergebens. Es schmerzt unglaublich.

Einer der Guides begleitet mich beim Abstieg soweit, dass ich die Hütte nicht verfehlen kann, dann kehrt er zur Gruppe zurück.

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